Gastbeitrag von Bernd Lange, Mitglied des Europäischen Parlaments über (Rechts-) Populismus in Europa
2020 war in vieler Hinsicht ein schwieriges Jahr, das sicherlich nicht nur mir das eine oder andere weitere graue Haar eingebracht hat.

MdEP Bernd Lange
Bernd Lange

Die globale Corona-Pandemie, die zähen Brexit-Verhandlungen, die Rechtsstaatsverletzungen in Polen und Ungarn, die Politik des Brandstifters im Weißen Haus und der Erfolg der AfD im Februar den Ministerpräsidenten in Thüringen zu bestimmen, sind nur einige Ereignisse, die uns alle in besonderer Weise herausgefordert haben und auch 2021 weiter herausfordern werden.

In einer globalisierten, vernetzten Welt ist ein einzelner Staat schnell Spielball von Interessen großer Konzerne und mächtiger Staaten. Auf dem heutigen Meer der Globalisierung ist es leichtsinnig und naiv, allein die Segel setzen zu wollen. Die Europäische Union ist nach anfänglichen Schwierigkeiten ihrer Rolle gerecht geworden. Die Hilfe der Staaten untereinander und der Wiederaufbaufonds „Next Generation“ sind entscheidend dafür, dass wir die Corona-Pandemie bewältigen können. Die gemeinsame Aufnahme von Schulden hierfür zeigt, dass es einen solidarischen Weg aus der Krise gibt. Der neue Haushalt, der einen Rechtsstaatsschutzmechanismus enthält, unterstützt durch die Strukturfonds auch Niedersachsen konkret. Nur gemeinsam, als Europäerinnen und Europäer, können wir Lieferketten, insbesondere für medizinische Produkte, sichern und eine faire Verteilung des Impfstoffes sicherstellen. Die gemeinsame Bestellung der Impfstoffe durch die Europäische Kommission war und ist richtig. Mit dem Impfstoff von AstraZeneca steht ein weiterer Impfstoff kurz vor der Zulassung. 400 Millionen Dosen sind davon bereits bestellt. Insgesamt 2,3 Milliarden Dosen Impfstoff hat sich die Europäische Union gemeinsam gesichert. Solidarität, nicht Egoismus und Ellenbogenpolitik braucht es, um Krisen zu bewältigen.

Nur ein solidarisches Europa, eine solidarische Gesellschaft, eine solidarische Region und Stadt, kann diese Pandemie und ihre Folgen überwinden und die richtigen Weichen für die Zukunft stellen. Damit dies gelingt, braucht es eine starke Sozialdemokratie im Bundestag, in der Regionsversammlung, im Stadtrat und den Stadtbezirksräten.

2021 stehen wichtige Wahlen an, in denen wir nicht nur für unsere Inhalte streiten, sondern auch unsere Demokratie verteidigen müssen. Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretiker bedrohen unsere Demokratie und versuchen unsere Gesellschaft zu spalten. Die Bilder des Sturms auf den US-Kongress oder auch die Reichsflaggen auf den Treppen des Bundestages, sind schrecklich und alarmierend. Die Feinde der Demokratie treffen sich nicht mehr im Geheimen, sondern propagieren öffentlich und lautstark ihre menschenverachtenden Botschaften.

Seit vielen Jahren sitzen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien im Europäischen Parlament. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar, dass es absolut keine Zusammenarbeit mit diesen Gruppierungen gibt. Im Gegensatz zu Liberalen und Konservativen, wie wir in Thüringen erleben mussten, steht unsere Brandmauer gegen Rechts. Alle Anträge der Rechtsextremen lehnen wir prinzipiell und konsequent ab. Ihre inhaltlichen Vorschläge müssen innerhalb und außerhalb des Parlaments klar und deutlich demaskiert werden. Wichtig ist, ihre Begriffe nicht zu übernehmen und sich nicht auf ihr Argumentationsniveau einzulassen. Für menschenverachtende Ideologien ist kein Platz in unserer Gesellschaft, an die Präsenz dieser Parteien in unseren Parlamenten dürfen wir uns nie gewöhnen. Rechtspopulisten haben keine konstruktiven Antworten auf die Probleme der Menschen. Der Umgang mit der Corona-Pandemie von Präsident Trump oder dem brasilianischen Faschisten Jair Bolsonaro haben dies auf schreckliche Weise verdeutlicht.

Im Wahlkampf müssen wir zweierlei: Zum einen selbstbewusst das Erreichte vertreten, auch wenn wir manchmal unsere ursprüngliche Forderung nicht komplett durchsetzen konnten. Kompromisse gehören zur Demokratie und sind per se keine Niederlage, sondern Ausdruck des demokratischen Ringens um die beste Lösung. Zum anderen müssen wir mutig unsere Vision einer solidarischen Stadt, einer solidarischen Gesellschaft und eines solidarischen Europas deutlich machen.

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen wir nicht weniger als die Welt verändern, sie gerechter und solidarischer machen. Das beginnt vor der eigenen Haustür, in der eigenen Kommune und endet bei fairen internationalen (Handels-) Abkommen. Dafür treten wir bei der Kommunal- und Bundestagswahl 2021 gemeinsam an und dafür setzen wir uns seit über 150 Jahren ein. Es braucht sozialdemokratische Antworten gerade in der Krise: Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt.

Bernd Lange, Mitglied des Europäischen Parlaments